PRESSE ESSLINGER ZEITUNG: Knallige Kunst für die alte Rotationshalle
Knallige Kunst für die alte Rotationshalle
Dominic Berner, 16.10.2020 – 16:35 Uhr
Kommenden Montag startet in der ehemaligen Rotationshalle des Verlages der Eßlinger Zeitung ein ganz besonderes Projekt: Acht Künstler nutzen die langen Hallenwände als Leinwand.
Esslingen – Früher roch es nach Druckerschwärze in der Rotationshalle des Verlagshauses der Eßlinger Zeitung. Die Druckmaschinen spuckten Magazine und Kataloge in hohen Stückzahlen aus. Es war ein lautes geschäftiges Treiben.
Nun herrscht Stille und gähnende Leere in dem Flügel aus den 60er Jahren. An den Wänden finden sich noch die Spuren jener Zeit. Sie sind übersät von rotbraunen Spritzern, dunklen Schrammen und ausgebesserten Stellen, neben denen teils der Putz abbröckelt. Diese morbide „Lost-Place-Romantik“ wird in der kommenden Woche von acht Künstlern auf kreative Art und Weise unterstrichen. Tatsächlich verwandelt sich die alte Rotationshalle aber nicht in einen verlorenen Ort, sondern soll ein Raum für unternehmensinterne Veranstaltungen werden. Deswegen wird es in der nächsten Woche wieder geschäftig zugehen, wieder laut werden – und vor allem wieder nach Farbe riechen.
Die ehemalige Rotationshalle ist auch schon in der Vergangenheit als Veranstaltungsort genutzt worden. So fanden hier bereits die Gesundheitstage, aber auch verschiedene Konzerte statt. „Jetzt wollen wir die Halle auch für Messen nutzen“, sagt Silke Rayer aus dem Marketing-Team des Verlages, das dieses Kunstprojekt organisiert hat. Gerade in der Corona-Zeit sind großflächige Räumlichkeiten wertvoll. „Außerdem wollen wir den Künstlern eine Plattform bieten, auf der sie sich kreativ austoben können“, sagt Rayer.
Wände, Lacke und knallige Farben
Jetzt stellt sich nur noch die Frage: Was passiert in den nächsten Tagen in der etwa 900 Quadratmeter großen Halle? Die acht Künstler gehören einer Vereinigung an, die nicht nur selbst die Pinsel – oder besser – die Dosen schwingt. Sie bietet auch Workshops an, unterrichtet Anfänger in ihrer Kunst, die vor allem mit Mauern, Wänden, Lacken und knalligen Farben zutun hat. Ja, richtig: Es geht um Graffiti. Die langen, von der Zeit gezeichneten Hallenwände sollen einem kreativen Sprayer-Kollektiv aus Stuttgart als Leinwand dienen. Welche Motive dabei entstehen sollen? Das wissen nur die Künstler selbst.„Wir haben uns überlegt: Wir regeln gar nichts“, sagt Patrick Klein. Er ist der Geschäftsführer von Graffiti-Stuttgart.de, der Sprayer-Agentur, die sich in der Rotationshalle austoben darf. Es bekomme nicht jeder Künstler einen fest zugewiesenen Platz an den Wänden, vielmehr ergibt sich im Laufe der nächsten Woche, in welchen Farben, Schriftzügen und Motiven die kalten, grau-weißen Betonwände verziert werden.
Aus allen gesellschaftlichen Schichten
Seit 15 Jahren schon lebt Klein vom Sprayen und der Graffiti-Kunst. Er setzt sich auch ehrenamtlich für die Szene ein, kämpft für deren Akzeptanz und Unterstützung. Denn was er und die Graffiti-Stuttgart-Sprayer machen, hat nichts mit Vandalismus zu tun. „Die Künstler kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Da sind Grafiker, Illustratoren aber auch Rechtsanwälte dabei“, erzählt er.
Graffiti-Stuttgart.de bietet Workshops, Veranstaltungen und Gestaltungsarbeiten an. Die Gruppe ist zum einen Dienstleister, zum anderen aber auch ein Künstlerkollektiv. „Wir richten uns in erster Linie nach den Wünschen der Kunden“, sagt Geschäftsführer Klein. „Aber letztendlich sind wir auch Künstler. Wenn uns dann jemand freie Hand lässt, freuen wir uns umso mehr.“Die Ruhe vor dem Sturm
Zurück in die Rotationshalle. Es herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Durch die Fensterreihen des Sheddaches scheint die Sonne indirekt in den Raum. Etwa neun Meter ist die Halle hoch. Für die Bilder an den lang gezogenen Wänden werden wahrscheinlich etliche Sprühdosen in den unterschiedlichsten Farben verbraucht. Und weil das eine Menge Dampf verursachen wird, hat der Verlag am unteren Ende der Halle eine Art Staubschutzwand einziehen lassen.
Sieben Tage lang werden sich die Künstler in der Halle austoben. Die Eßlinger Zeitung begleitet das Projekt in Text, Bild und Ton. Kommenden Montag heißt es dann: Klacker klacker tzzzzzzzz.
Esslingen
Quelle: esslinger-zeitung.de
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