„Hall of Fame“ in Bad Cannstatt – Großputz in der „Hall of Fame“
Sebastian Steegmüller, 02.03.2021
Stadt will Sprayern unter der König-Karls-Brücke Grenzen aufzeigen.
Bad Cannstatt – Die „Hall of Fame“ unter der Cannstatter König-Karls-Brücke ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Sie ist einer von wenigen Plätzen in Stuttgart, an dem Street-Art-Künstler im öffentlichen Raum legal zur Spraydose greifen können. Doch nicht an jeder Stelle in der Unterführung ist das Sprühen erlaubt. Zahlreiche Schilder weisen vor Ort auf die geltenden Regelungen hin. Sie werden jedoch nicht immer eingehalten.
Um legale von illegalen Bereichen klar abzugrenzen, lässt das städtische Tiefbauamt derzeit eine Grundreinigung durchführen. Sie steht alle zwei bis drei Jahre auf dem Programm. Unter anderen werden alle Graffitis von Böden und Decken entfernt. „Auch wenn es sich nie ganz ausschließen lässt, wollen wir mit der Maßnahme verhindern, dass das Sprayen an verbotenen Stellen überhandnimmt“, sagt Abteilungsleiter Claus-Dieter Hauck, zuständig für Stadtbahn, Brücken und Tunnelbau. Auf keinen Fall wolle man Jugendliche erschrecken oder ihnen zeigen, dass sie unerwünscht seien. „Das Gegenteil ist der Fall.“ Ihm sei bewusst, dass es zum Thema Graffiti verschiedene Betrachtungsweisen gebe. „Aber sie gehören zur Stadtgesellschaft, zur Stadtkultur.“ Es handele sich um Kunst, nicht um Schmierereien. Dementsprechend müsse man den Sprayern Flächen zur Verfügung stellen. „Und ihnen eben auch gewisse Grenzen aufzeigen. Ich finde, wir fahren hier eine gute Linie.“
Unterbrechung wegen des Wintereinbruchs
In der vergangenen Woche rückten deshalb Patrick Rebmann und Alexander Soares unter der König-Karls-Brücke an, um sämtliche Farben und Lacke von Böden und Decken zu entfernen. Die beiden Angestellten der Münchner Kindl Schwaben GmbH (MKS) waren bereits Ende des Jahres vor Ort, unterbrachen ihre Arbeit jedoch aufgrund des Wintereinbruchs.
Bevor die beiden Männer sich an die Reinigung machen, stellen sie Hütchen auf, sichern den Bereich ab. Denn wenig später besteht Rutschgefahr. Zunächst tragen sie einen wasserlöslichen Graffiti-Entferner auf, den sie eine Viertelstunde lang einwirken lassen. Anschließend kommt ein Dampfstrahler, der mit einem Druck von 250 Bar heißes Wasser auf die Steinplatten sprüht, zum Einsatz. Eine Eigenkonstruktion. „Weil wir unter der König-Karls-Brücke weder Zugang zu einem Wasser- noch zu einem Stromanschluss haben, bringen wir alles selbst mit“, sagt MKS-Geschäftsführer Oliver Buck. In einem unscheinbaren, weißen Transporter sind ein 1000 Liter fassendes Bassin, ein Diesel-Stromgenerator und eine Hochdruckpumpe untergebracht. An ihr ist ein mehr als 50 Meter langer Schlauch angeschraubt, um auch bequem in die hinterste Ecke der Unterführung zu kommen. „Wir haben verschiedene Techniken wie das Sand- oder Trockeneisstrahlen ausprobiert.“ Aber sie seien im mobilen Einsatz zu aufwendig und zu kostenintensiv.
Der „Asterix“ wird nicht gereinigt
Sobald Patrick Rebmann am Sprüharm den Hebel drückt und mit der Düse wenige Zentimeter über dem Boden entlang fährt, haben Graffitis und andere Schmierereien keine Chance, selbst festgetretene Kaugummis fliegen gleich noch mit weg. Auch wenn es kein klassischer Ausbildungsberuf sei, so Buck, müsse man wissen, was man tut. „Eine ordentliche Einweisung ist sehr wichtig“, so der Geschäftsführer des Böblinger Unternehmens, das sich 1996 von dem Münchner Betrieb getrennt hat und seither eigenständig ist.
Der Dampfstrahler kann nicht auf jedem Untergrund eingesetzt werden. Bestes Beispiel ist die Skulptur „Der Wehrstand“ von Bildhauer Adolf Fremd, die am Eingang der „Hall of Fame“ steht und aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum bekannten Gallier den Spitznamen „Asterix“ trägt. Obwohl es verboten ist, sie zu besprühen, tobt sich so mancher Künstler regelmäßig an ihr aus. „Sie zu reinigen, wäre sehr aufwendig. Man müsste vorsichtig mit Niederdruck arbeiten“, so Buck, dessen Mitarbeiter sich erst gar nicht an ihr versuchen. Jedoch nicht, weil ihnen das Know-how fehlt, sondern weil sie dafür vom Tiefbauamt nicht beauftragt wurden. Aus dem gleichen Grund lassen sie auch Aufgänge zu den Stadtbahnhaltestellen – vor allem die Geländer sind voller Farbe – links liegen. „Vorerst“, sagt Claus-Dieter Hauck vom Tiefbauamt. Man werde sich mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG abstimmen und auch die Treppen in absehbarer Zukunft reinigen lassen.
Sicherheitsempfinden steigt
Doch warum wird eigentlich an der „Hall of Fame“ zwischen verschiedenen Bereichen unterschieden? „Vor allem in der Unterführung in Richtung Bad Cannstatt macht es einen großen Unterschied aus, ob die Böden und Decken sauber sind oder nicht“, sagt Buck. Zum einen steige das subjektive Sicherheitsempfinden, wenn es unter der König-Karls-Brücke nicht verwahrlost, sondern ordentlich aussehen würde. „Zum anderen können Lack und Farben rutschig sein.“ Die Unterführung müsse einfach in einem vernünftigen Zustand sein, bringt es Hauck auf den Punkt.
Patrick Klein ist professioneller Street-Art-Künstler, Gründer der Agentur „Graffiti Stuttgart“ und seit 2003 „mindestens einmal pro Woche“ an der „Hall of Fame“ vor Ort. „Ich muss die Szene in Schutz nehmen. Die Sprayer, die ich kenne, sprühen unter der König-Karls-Brücke nicht in verbotenen Bereichen. Auch nicht auf die Asterix-Figur“, sagt der 40-Jährige, der bereits im Alter von zehn Jahren die Liebe zu Graffitis entdeckt hat. „Ebenso würde man nicht einfach mitten in das Bild eines anderen Künstlers malen. „Egal, ob es einem gefällt oder nicht. Das ist eine Sache des respektvollen Umgangs“, sagt Klein, der jedoch anmerkt, dass die „Hall of Fame“ mittlerweile so bekannt geworden ist, dass die unterschiedlichsten Leute ohne jegliche Vorkenntnisse in der Unterführung aufschlagen würden. „Sie gucken sich die Schilder nicht an, sondern sprühen einfach wild drauf los. Von ihnen distanzieren wir uns klipp und klar“, so Klein, der unter der König-Karls-Brücke regelmäßig Workshops anbietet. „Anfänger weisen wir darin ausdrücklich auf die geltenden Regeln hin.“ Zumal sich Sprayer strafbar machen würden, wenn sie in einem verbotenen Bereich zu Werke gehen, egal, wie viele Graffitis sich dort schon befinden. Wer vor Ort unsicher sei, nicht wisse, was erlaubt ist, könne jederzeit einen anderen Sprayer ansprechen. „Wir beißen nicht.“
Quelle: cannstatter-zeitung.de